Ein Gedankengang zum Jahrhunderthochwasser von 1. Bürgermeister Jürgen Roith
Im Juni 2013 hat die größte uns bekannte Flut der Donau den Markt Winzer mit einer Wucht getroffen, wie wir sie in unseren kühnsten Träumen nicht erwartet hätten. Ein Hochwasser, wie es wohl in den letzten hundert Jahren nicht da gewesen ist. Die Dämme der Donau aber auch der Hengersberger Ohe wurden überspült und sind wegen der immensen Wassermassen gebrochen. In der Stadt Passau wurden Wasserstände erreicht, wie sie seit 500 Jahren nicht mehr gemessen wurden. Die Dämme zur Ortschaft Winzer hin waren und sind für ein Hochwasserereignis dieser Größenordnung zu niedrig und nicht geeignet, einen ordnungsgemäßen Schutz zu bieten. Das war die Flut und damit die Aufgabe im Juni 2013, die es zu bewältigen galt.
Mehrere Wochen hielt uns dieser unbegreifliche Zustand in Atem. Leider mussten wir mit ansehen, wie die Fluten des sonst so faszinierenden Flusses Haus für Haus, Anwesen für Anwesen verschlungen haben und großes Leid über die betroffenen Familien hereingebrochen ist.
Nur unter der fachlichen Leitung des Wasserwirtschaftsamtes Deggendorf konnte in Zusammenarbeit mit den Freiwilligen Feuerwehren und professionellen Hilfseinheiten sowie vielen helfenden Händen größerer Schaden von unserem Markt fern gehalten werden.
Wer jedoch in die Augen von Menschen blickt, denen man sagt, „Sie müssen das Haus, den Hof verlassen“, wer in die Augen von Menschen blickt, denen man sagt, „Sie müssen Hab und Gut zurücklassen um nicht selbst zu Schaden zu kommen“, der wird diese Blicke zeitlebens nie vergessen. Zusehen zu müssen, wie Haus und Hof, Hab und Gut in den Fluten versinken, das können sich Menschen, die nicht betroffen sind, kaum vorstellen. All denjenigen gilt mein, ja unser Aller besonderes Mitgefühl. Selbst mit größtem Einfühlungsvermögen kann Niemand die Gedanken nachvollziehen, die ein Mensch führt, der vor diesem Rebus steht. Nie werde ich die Bilder vergessen, wie drei Menschen mit dem Hubschrauber aus den reißenden Fluten der Donau gerettet werden konnten. Eine schnelle Rettung aus der Luft, für die wir allen Beteiligten besonders dankbar sind. Nichts wäre schlimmer gewesen, als Menschenleben zu beklagen. Gott sei Dank blieb uns dies erspart und ich bin froh, dass alle gesund, munter und wohlauf sind. Was trotzdem in jedem einzelnen Betroffenen vorgeht, das kann niemand nachvollziehen.
Nach der Rückkehr zu Haus und Hof stellte sich ein Schreckenszenario dar. Die Katastrophe war perfekt. Resignation konnte ich bei den Betroffenen jedoch nicht verspüren. Mit großer Tatkraft gingen alle ans Werk. Ein Ziel vor Augen: das Beseitigen der Schäden um möglichst bald den Betrieb auf dem Hof wieder aufnehmen zu können. Das Entkernen der Häuser, um sie wieder bewohnbar zu machen, all dies ist ein tränenreicher und steiniger Weg. Doch zeigte sich in unserem Markt eine unwahrscheinliche Solidarität. Helfer, Hilfskräfte, professionelle Mitarbeiter, aber auch rettende Engel waren innerhalb kürzester Zeit vor Ort. Schon als absehbar war, dass es zur Katastrophe kommen würde, zeichnete es sich ab, wie wichtig die Rettungs- und Hilfsorganisationen, die Feuerwehren, Wasserwacht, Bayerisches Rotes Kreuz, Malteser-Hilfsdienst, Technisches Hilfswerk, Polizei und Bundeswehr sind und sein werden. Alle waren Tag und Nacht im Einsatz und leisteten hervorragende Arbeit.
Zutiefst berührt haben mich hunderte Menschen, die Sandsäcke befüllten, hunderte Menschen, die in langen Menschenketten Sandsackbarrieren aufbauten ohne selbst betroffen zu sein. Man hat gearbeitet, um Hab und Gut zu schützen und die Bürgerinnen und Bürger des Marktes Winzer vor unvorstellbaren Schäden zu bewahren.
Professionell war auch die Hilfe der Firmen vor Ort. Hätten wir nicht Tage zuvor das Gespräch mit der örtlichen Raiffeisenbank gesucht und besprochen, was nötig ist um Schaden abzuwehren, hätten nicht alle Fuhrunternehmen im Landkreis Deggendorf ihre Lastkraftwagen zur Verfügung gestellt, was wäre wohl passiert? Was wäre passiert, wenn die Fahrer nicht rund um die Uhr ihren so wichtigen Dienst versehen hätten? Was wäre gewesen, ohne die helfenden Hände der vielen Frauen, die im Feuerwehrhaus Winzer für ausreichende Verpflegung in bester Qualität gesorgt haben?
Den Feuerwehren Winzer und Neßlbach unter der Leitung von Kreisbrandmeister Josef Killinger und den Kommandanten Anton Muckenschnabl sowie Markus Müller zollt mein allerhöchster Respekt. Auf den Schultern dieser ausgezeichnet arbeitenden Personen lastete die Hauptverantwortung. Beide Wehren haben das Letzte gegeben, um unseren Ort zu schützen. Pausenlos waren sie an vielen Brennpunkten im Einsatz und leisteten rasch und ruhig Hilfe.
Nachdem sich das Wasser zurückgezogen und die Gebäude und Anwesen wieder freigegeben hatte, zeichnete sich eine weitere „Hilfswelle“ ab. Hunderte von freiwilligen Helfern aus Nah und Fern strömten zu den gefluteten Anwesen und packten kräftig an, um die schnellstmögliche Beseitigung der Flutschäden vorzunehmen. Unfassbar, wie groß die Hilfsbereitschaft war.
Der Initiative von Albert Eckl und der großartigen Arbeit unseres Ortsheimatpflegers Adi Leitl ist es jedoch zu verdanken, das dieses Zeitdokument, welches Sie nun in Händen halten, entstanden ist. Eine Auswahl aus tausenden digitalen Ablichtungen ließ diese Dokumentation eines schmerzhaften Kapitels unserer Heimatgeschichte „der Flutkatastrophe 2013“ entstehen.
Ein herzliches Dankeschön möchte ich an dieser Stelle allen Menschen sagen, die sich während dieser doch so fürchterlichen Zeit freiwillig und ohne Zwang zur Hilfe am Nächsten bereit erklärt haben. Den freiwilligen Feuerwehren Winzer und Neßlbach, Herrn Kreisbrandmeister Josef Killinger, Herrn Landrat Christian Bernreiter sowie Herrn Pfarrer Richard Simon danke ich ebenso für einen unermüdlichen Einsatz wie dem Wasserwirtschaftsamt Deggendorf.
1. Bürgermeister Jürgen Roith
Hardcover mit Schutzumschlag, 116 Seiten, durchgehend farbig bebildert
ISBN 978-3-941425-76-7
Preis 20 €
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